Katalogtexte

Viola Stohwasser-Gerdsen, M.A.
Mittelweg 152, 20148 Hamburg
Galerie Magnus P. Gerdsen


Beatrice Dettmann erschließt sich neue Bereiche ihrer Malerei durch serielles Arbeiten. Dem Künstler dient dieser Weg zur Bildfindung, dem Betrachter zur Sensibilisierung seiner visuellen Aufnahmefähigkeit durch Vorstellung derselben Thematik in unterschiedlichen Varianten.

In früheren Zyklen widmete sich Beatrice Dettmann formal und inhaltlich der Lösung grundsätzlicher Fragen wie z.B. dem Verhältnis von Figur und Bildraum; die Beschäftigung mit aktueller politischer Relevanz ist in ihrem Werk ein Novum. Eine Reise bot Bildanlass für die Burmareihe und als politisch interessierte Künstlerin nutzt sie ihr Potential, um den Blick des Rezipienten für ein Thema zu schärfen, das ihrer Meinung nach zu wenig mediale Aufmerksamkeit erfährt.

Um der Aktualität des Themas zu entsprechen, führt Beatrice Dettmann für sie neue künst–lerische Medien in ihre Arbeiten ein: In einem längeren Prozess verarbeitet sie in collage-artiger Technik Fotos. Sie geht von Fotos der eigenen malerischen Skizzen, Pressefotos und selbst vor Ort aufgenommene Situationen, die sie (wechseln) abfotografiert und übermalt. Der künstlerische Prozess der Übermalung überführt den ephemeren Charakter der Momentaufnahme in die Überzeitlichkeit der Malerei, wodurch der inhaltlichen Aussage eine Grundsätzlichkeit zukommt. Der schnelle Pinselduktus drückt die spannungsgeladenen Atmosphäre und den situativen Charakter der Motive aus. Ausschnitte fotografischer Abbildungen untermauern Authentizität und Aktualität der Darstellung. Mehrfache Überarbeitung, die zu dem der Künstlerin charakteristischen malerischen Ausdruck führt, unterstreicht den subjektiven, interpretatorischen Aspekt der Arbeiten.

Schon immer waren es Reisen, die Künstler zu neuer Bildfindung angeregt haben und auch Beatrice Dettmann bezieht daraus häufig ihre Inspiration wie in den Westafrika-Serien zu sehen ist. Selten ist jedoch zu beobachten, dass das Zusammentreffen mit fremden Kulturen, Landschaften oder politischen Systemen solch konsequente Änderungen in der künstlerischen Arbeit nach sich zieht. Befragt man Beatrice Dettmann nach dem Grund für die Änderung ihrer künstlerischen Arbeit in thematischer wie formaler Hinsicht, so nennt sie die enorme Widersprüchlichkeit zwischen märchenhafter Umgebung, großer Herzlichkeit und Freundlichkeit der Bevölkerung und der Omnipräsenz des Militärregimes in Birma.

„… dieses versunkenschöne Land mit seinen liebenswerten Menschen“, so beschreibt Alice Schwarzer in ihrem viel diskutierten Aufsatz in der FAZ (FAZ, 31. Mai 2008) ihren primären Eindruck von Birma, bevor sie die politische Problematik benennt. Der Widerspruch zwischen der Attraktion des Landes mit seinen freundlichen Bewohnern und der Präsenz des diktatorischen Regimes, verlangt offenbar auch für die Künstlerin Beatrice Dettmann nach einer Stellungnahme. Sie kann es nichtbei der Wiedergabe von Reiseimpressionen, die die dunkle Seite der politischen Situation verschweigen, bewenden lassen. Gerade die nonverbale Sprache der Malerei und die subtile Form in der Beatrice Dettmann auf die von ihr erlebte Situation verweist, lässt den Betrachter innehalten und schärft seinen Sinn.

Nicht offensiv anklagend transportiert die Künstlerin den Konflikt, sondern mit dem Appell an den Betrachter, genau hinzusehen, unterbricht sie die mit dem schnellen Konsum von Bildmaterial oft einhergehende Konfliktscheue – das Wegsehen. Sie präsentiert dem Betrachter nicht die Eindeutigkeit bestimmter Bilder von offensichtlichen Greueltaten, sondern überlässt ihn dem Gefühl nachhaltiger Bedrängung durch unheimliche Bildbotschaften. Wie erreicht Beatrice Dettmann den Betrachter? Eher durch Hinweise als durch Eindeutigkeit gelingt es ihr, die von ihr wahrgenommene Divergenz zwischen Harmonie und Gewalt ins Bild zu überführen. Besonders deutlich wird dies in den Bildern, die Menschen in hellen, freundlichen Farben vor bedrohlich dunklem Hintergrund zeigen, der sich erst bei näherer Betrachtung als Kühler oder Windschutzscheiben von Militärfahrzeugen ausmachen lässt. Das pastellige Idyll wird zum Ort finsterer, lauernder Bedrohung, zeigt den Alltag mit der ubiquitären Machtdemonstration des Regimes.

Der Künstler verfügt über ein anderes Interpretations-Spektrum als der Journalist: Es ist weniger seine Aufgabe zu dokumentieren, als vielmehr Impressionen zu vermitteln. Subjektivität ist für die künstlerische Umsetzung des Erlebten unabdingbar, weshalb z.B. die überdimensionalen Wachtürme in Beatrice Dettmanns Bildern, die an riesenhafte Handys erinnern, nicht real über die Mönchsdemonstrationen geragt haben müssen. Die Künstlerin hat sie von der Fiktion in das Bild überführt, um die Bedrohung zu visualisieren.

Der Kontrast zwischen friedlichem Protest und Menschen abweisenden Überwachungsstaat in Form der dunklen Türme, wird durch die deutliche Gegenüberstellung innerhalb der Palette– helles leuchtendes Orange contra trübes, lauerndes Grau – noch vertieft. Je mehr Beatrice Dettmann mit Verfremdung arbeitet, meist erreicht durch den gestischen Farbauftrag, der Vorder- und Hintergrund auf einer Ebene zusammenfasst und Details aus dem Geflecht nur schwer ausmachen lässt, desto mehr fordert sie unsere Wahrnehmung. Menschendarstellungen sind nicht individualisiert, es lässt sich keine physiognomische oder mimische Prägnanz ausmachen, was besonders bei der Darstellung der politischen Prominenz, bzw. des Bonzenkaders überrascht: Die schwarz gewandeten Politiker wirken wie eine überindividuelle Mauer, was dem Agitationsbild diktatorischer Regime, das mit der Übertreibung bestimmter Merkmale zugunsten hoher Wiedererkennbarkeit arbeitet, widerspricht.

Verallgemeinerung dient als Mittel, um die Permanenz zu transportieren, die der Lage in Burma eigen ist. Bestimmte fotorealistisch festgehaltene Situationen dienen als Ausgangspunkt, um der momentanen Krisenhaften Situation durch malerische Überarbeitung einen allgemeinen Charakter zuzuweisen.

Dr. Gabriele Himmelmann
Kunsthistorikerin, Hamburg
Beatrice Dettmann – Bilder sehen


Das Offensichtliche zuerst: Beatrice Dettmann ist Malerin, sie beschäftigt sich also mit einem künstlerischen Medium mit langer Tradition und unterschiedlichsten Funktionen in der Geschichte der Kunst.

Heute umgeben uns Bilder überall, sie sind Bestandteil unseres Alltags geworden. Dem Umgang mit den Werken eignet gegenwärtig jedoch häufig eine falsche Selbstverständlichkeit: Man informiert sich über ihre Bedeutung in der Kunstgeschich­te und verschafft sich Informationen über den Künstler – dies mit der Absicht, das Bild über externe Wissensinhalte schnell vereinnahmen zu können. Das Sehen jedoch, die vertiefte, geduldige Betrach­tung eines Kunstwerks, kommt oft zu kurz.

Um so bemerkenswerter ist es, mit Beatrice Dettmann eine Künstlerin erleben zu dürfen, die sich mit großer Konzentra­tion und ruhiger Konsequenz die – nur schein­bar einfache – Frage stellt: Was ist ein Bild?

Nicht die Bilderzählung, die Interaktion der Dargestellten, beschäftigt sie. Ihre Werke enthalten keine Hinweise auf außerhalb ihrer selbst liegende Sinnzusammenhänge.

Stattdessen legt sie sich die grundlegen­den Fragen zur Bildwerdung vor: Welche qualitativen Eigenschaften hat die Farbe als ein zentrales Element im Bild? Wie entsteht eine Anmutung von Räumlichkeit, wenn auf die Konvention der Zentralper­spek­ti­ve verzichtet werden soll? Wie ver­hal­ten sich Figur und Fläche zueinander, wenn sie im Bild gleichberechtigt behan­delt werden – wenn die Figur also nicht als Trägerin des Bildgeschehens und die Fläche nicht als ihr Hintergrund aufgefasst ist?

So bildet sie aus unterschiedlichen Werk­stof­fen, vorwiegend Eitempera, aber auch aus Sänden und Ölfarbe, einen flachen Farbraum. Die Suggestion von Räumlich-

keit ergibt sich durch Überlagerungen und Schichtungen, sie entwickelt sich nach und nach im malerischen Prozess Ebenso zeigt sich im Bild ein spannungsvoller Gegen­­satz zwischen lasierend aufgetrage­nen und gespachtelten Farbpartien: So wurden beispielsweise in der 2003 ent­stan­denen Arbeit „grau-weiß 1“ die verti­kalen Figuren und die waagerechte helle Fläche mit verschiedenen Spachteln bear­beitet, so daß schließlich ein pastoser, wie Borke anmutender Farbauftrag entsteht. Die anderen Flächen in dieser Arbeit sind sind dünn lasiert, fast wässrig verläuft die Farbe.

Der menschliche Körper, hier gegen alle Konvention schlicht als senkrechtes Element begriffen, zeigt sich häufig an den Nahtstellen des Bildes – er scheint sich weniger kompositionellen Überlegungen als verdichteter Farbe zu verdanken. Körper und Fläche treten so in ein hierar­chie­freies Wechselverhältnis. Gleicher­maßen zeigen sich anschauliche Analogien zwischen den Spuren verlaufender Farbe und der reduzierten Körperlichkeit – im Prozess des Sehens verschränken sich Figur und Grund unauflöslich miteinander.

In ihrer konsequenten Verweigerung jedes erzählerischen Moments sind die maleri­schen Lösungen ausschließlich der spezifi­schen Ästhetik des Bildes verpflichtet.

Beatrice Dettmanns Arbeiten verlangen von uns einen neuen Blick. Kulturell vor­ge­prägte Gewissheiten, wie etwa die Domi­nanz der Figur im Bild oder die Konven­­tion der Zentralperspektive, werden kritisch hinterfragt und zurückge­wiesen. Stattdessen wird das Sehen selbst hier zum Thema gemacht. Ihre Bilder gewinnen ihre lebendige Präsenz im Augenblick der Auseinandersetzung. Im bewussten, reflektierten Sehen, im sich-einlassen auf die Werke werden neue Bilderfahrungen möglich.

Pressestimmen

Alstertal Magazin, 02/2023

zuHause Wohnen 9/2005

Die Welt, 2001

Kunst im Nordwesten, 1997

Hamburger Abendblatt, 22. Juli 2005

Hamburger Abendblatt, 05. September 2008

Wiesbadener Tagesblatt, 21. Oktober 2008